Interview

Jeder Einkauf entscheidet

Hannes Royer, Obmann des Vereins Land schafft Leben, macht sich leidenschaftlich für mehr Regionalität stark. Doch was meint der Schladminger Bio-Bergbauer, Unternehmer und Podcaster, wenn er von regionalen Lebensmitteln spricht? Und warum ist es überhaupt so wichtig, was wir essen? Das hat der Experte bei der 125-Jahr-Feier der Bäckerei Kurz höchst kurzweilig erklärt – und tut es jetzt noch einmal für uns alle. Ein Interview mit Mehr- und Nährwert.

Was war der Auslöser für deine Bewusstseinsarbeit?

Hannes Royer Als ich 2012 meinen eigenen Hofladen eröffnete, merkte ich bald: Fast 90 Prozent der Kunden greifen zum billigsten Produkt. Da wurde mir klar: Wir müssen den Menschen zeigen, wie die heimischen Lebensmittel hergestellt werden und dass diese ihren Preis wert sind. Wenn alle nur das Billigste kaufen, nehmen wir Ausbeutung, Tierleid und Bauernsterben in Kauf.

Wie kann man der Geiz-ist-geil-Mentalität entgegenwirken?

Hannes Royer Indem man über Lebensmittel redet! Mit dem Gastronomen, dem Hotelier oder auch privat. Lebensmittel sind, wie es der Name schon sagt, das Mittel zum Leben. Kein Füllstoff, nur um sich schnell mit Kalorien zu versorgen. Ich lasse das Publikum bei meinen Vorträgen gerne schätzen, wie viele Lebensmittel wir pro Jahr verdrücken. Die Antwort lautet: rund 1,5 Tonnen! Eineinhalb Tonnen wandern durch unseren Körper und hinterlassen dort ihre Spuren. Wie du alt wirst, hängt massiv von deiner Ernährung ab. Wer sich das vergegenwärtigt, wird vermutlich hochwertiger essen. 

Warum aber ist regional besser?

Hannes Royer Ich möchte dafür sensibilisieren, dass Regionalität mehr bewirkt, als das Überleben der heimischen Bauern zu sichern. In Österreich mit seinen strengen Tierschutzgesetzen kann man hohe Qualität mit gutem Gewissen beziehen. Auch das Thema Lebensraum ist damit verknüpft. Schaut euch um, wir leben in einem Paradies! 2019 verzeichnete Österreich 153 Millionen Nächtigungen, ein Großteil davon wegen der schönen Landschaft. Und diese Kulturlandschaft pflege ich als Bauer, weil ich Lebensmittel produziere – nicht, weil ich Gärtner bin.

Hannes Royer bei seinem Vortrag auf der Idalp

Gibt es denn genug regionale Lebensmittel für alle?

Hannes Royer Oft hören wir von Hoteliers und Gastronomen, dass der Großhändler leider nicht so viele regionale Produkte liefern könne. Das ist in den meisten Fällen eine Ausrede und es wurde nicht einmal angefragt. Regionalität wird auch oft zu eng gesehen! In unserem Fall sage ich: Regional ist alles, was aus Österreich kommt. Deshalb darf das Schwein aus der Steiermark in Tirol auf den Teller kommen und trotzdem als regional gelten. Die Versorgung mit Brot hier im Paznaun durch die Bäckerei Kurz ist nicht Regionalität, sondern sogar Lokalität – das Beste, was passieren kann!

Richtig einkaufen ist also gar nicht so schwer?

Hannes Royer Wenn man seine persönlichen Werte kennt, nicht. Bewusstes Einkaufen und Konsumieren ist der Schlüssel. Jedes Mal, wenn wir privat oder als Gastronom ins Lebensmittelregal greifen, vergeben wir einen Produktionsauftrag. Und ja, auch kleine „Aufträge“ machen einen Unterschied. Mit jedem Einkauf von regionalen und saisonalen Produkten kann man künftige Entwicklungen mitbestimmen – vorausgesetzt man will!

Die Verantwortung liegt also bei jedem Einzelnen?

Hannes Royer Eine vollumfängliche verpflichtende Herkunftskennzeichnung auf der Speisekarte wäre wünschenswert. In Schweizer Restaurants und Kantinen funktioniert das seit 1995, und viele heimische Betriebe setzen bereits freiwillig auf Transparenz. Wir können unseren Lebensraum aber selbst gestalten und müssen nicht darauf warten, bis die Politik etwas ändert. Die Tourismusverbände sollten sich vor Augen führen, dass laut Studien der Hauptgrund zum Reisen in der Zukunft der Genuss ist. Da gibt’s in Österreich noch viel zu tun und die Versuchungen von Billigfleisch & Co. werden durch das Mercosur-Handelsabkommen noch größer. Aber wollen wir wirklich mit Wachstumshormonen und Antibiotika vollgepumptes Rindfleisch servieren und essen?

Gleich wenig wie Billigbrötchen vom Discounter …

Hannes Royer Genau. Als Hannes Kurz mich für seine Jubiläumsfeier anfragte, war ich sofort begeistert. Ein traditioneller Bäcker in einer Tourismusregion, der trotz der geforderten Masse auf Qualität setzt, ist nicht selbstverständlich! Das Thema Brot liegt mir speziell am Herzen, weil es in der „Roggennation“ Österreich eine wichtige Rolle einnimmt. Wie gutes Brot schmeckt, wissen die KundInnen von Kurz ja schon. Wer sich darüber hinaus für Daten, Fakten, Tipps und Hintergründe für Brotgenuss interessiert, findet auf unserer Website sehr viel Wissenswertes.

Steckbrief

Hannes Royer (Jahrgang 1976) hat schon mit 21 den 800 Jahre alten elterlichen Bauernhof in Schladming übernommen und bewirtschaftet ihn seit 1989 biologisch mit Schwerpunkt auf Kalbinnenaufzucht. Überregional bekannt wurde der Vater von drei Töchtern als Initiator und Obmann der Plattform Land schafft Leben, Unternehmer und Podcaster.

Podkast-tipp

„Wer nichts weiß, muss alles essen“

Wem Tierwohl am Herzen liegt, der kauft regional.

Zum Verein

Der unabhängige und unpolitische Verein Land schafft Leben wurde 2014 gegründet und verfolgt das Ziel, Bewusstsein für in Österreich produzierte Lebensmittel zu schaffen. Dabei erfahren die KonsumentInnen transparent und wertungsfrei, wie hierzulande Lebensmittel produziert, verarbeitet und in den Handel gebracht werden.

www.landschafftleben.at

mehr geschichten