Zu Besuch bei Rauchmehl in Innsbruck

Mehl­server mit Standort Tirol

Das markante Logo zeigt eine flotte Gams auf dem Mühlrad. Den Farbcode der bunten Packungen kann seit Generationen jedes Kind im Supermarktregal entschlüsseln, wenn es die Mama um Zutaten fürs Backen schickt. Die Marke Rauch steht synonym für Mehl. Die Traditionsmühle ist ein Stück Tiroler Identität. Geschäftsführer DI Stefan Pickl erklärt im Interview, warum.

Für Nicht-Tiroler absolut unverständlich, ist es Bestandteil des hiesigen Sprachgebrauchs, grünes, blaues oder oranges Mehl einzukaufen. Gemeint sind die Farben der Packungen, die den Mehltyp charakterisieren. Ist ja auch leichter zu merken als Type 700 oder Type 480 bzw. glatt, doppelgriffig oder extra – alles Begriffe, die die Körnigkeit des Mehls beschreiben. Den signifikanten Farbcode für die Produkte hat in den 1950er-Jahren Anton Zelger, Tirols legendärer Großmeister der Gebrauchsgrafik, gemeinsam mit der Familie Rauch entwickelt. Mit hohem Markenbildungs- und nachhaltigem Wiedererkennungswert, wie sich zeigen sollte. Doch ist auch der Inhalt von erlesener Qualität. DI Stefan Pickl, Geschäftsführer der Anton Rauch GmbH & CoKG, im Gespräch mit den KURZ Geschichten.

Altehrwürdiger Blickfang im
Osten Innsbrucks: Der Getreidespeicher
der Rauchmühle ist ein
bemerkenswertes Beispiel
für die Industriearchitektur
der Zwischenkriegszeit.

Stefan Pickl

Position im Unternehmen

» Der Kunde will heute wissen, wo das Getreide für sein Mehl herkommt, wie es beschaffen ist, welche Werte es hat. «

Auf Ihrem historischen Firmengebäude in Mühlau steht »Kunstmühle Anton Rauch«. Was bedeutet dieser Begriff?

Stefan Pickl Der ist dem technischen Fortschritt knapp vor der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert geschuldet. Nur Mühlen mit gegeneinander drehenden Stahlwalzen durften für sich die Bezeichnung »hohe Kunst des Mehlmahlens« in Anspruch nehmen. Der Begriff ist geblieben, auch unsere Walzenstühle arbeiten heute noch nach diesem Prinzip – natürlich neuer und viel schonender. Ich finde, Kunstmühle trifft es gut, denn es ist eine eigene Kunst, das Innere des Korns so exakt von der Schale zu trennen, um blendend weißes Mehl zu erhalten.


Wenn ein Betrieb auf das Jahr genau 210 Jahre Bestand hat und die sechste Generation das Familienunternehmen führt, muss man vieles richtig gemacht haben ...

STEFAN PICKL Freilich, die Pionierleistungen und das unternehmerische Geschick unserer Vorfahren seit der Gründung 1809 stehen außer Zweifel. Zumal Schicksalstage mit Einstürzen und verheerenden Bränden, Kriegswirren und turbulente Zeiten das wirtschaftliche Überleben der Mühle mehrmals in Frage gestellt haben. Doch mit unbändigem Willen ist es der Familie immer gelungen, die Firma Anton Rauch mit sicherer Hand durch die Stürme der Geschichte zu lenken. Heute sind wir die führende Mühle Westösterreichs mit einer Jahreskapazität von 30.000 Tonnen Weizen-, 5.000 Tonnen Roggen- und 200 Tonnen Dinkelmehl.

Mehl ist die unverzichtbare Grundlage eines unverzichtbaren Grundnahrungsmittels. Die Brot-Qualität hängt zum größten Teil von der Mehl-Qualität ab. Getreide ist jedoch ein Naturprodukt und unterliegt dementsprechend natürlichen Qualitätsschwankungen. Wie halten Sie dennoch die Standards auf einem durchgängig hohen Niveau?

Stefan Pickl Die Mehlqualität beginnt beim Rohstoff. Wir kaufen ausschließlich erstklassige, mit größter Sorgfalt ausgewählte Getreidesorten aus den besten Anbaugebieten Ostösterreichs. Die Anlieferung erfolgt umweltfreundlich per Bahn mittels eigenem Gleisanschluss. Der nächste Schritt ist die sorgfältige Reinigung mittels modernster, computergesteuerter Technologie. Nach dem Mahlprozess wird jedes Mehl in unserem eigenen Labor von Obermüller Wolfgang Auer und seinem Team intensiv getestet und bewertet. Jeder Lieferung an unsere Geschäftskunden geben wir ein detailliertes Analyseblatt zur jeweiligen Mehlsorte mit. So hat der Backstubenleiter alle für ihn relevanten Parameter sofort im Blick. Natürliche Schwankungen treten besonders nach einer neuen Getreideernte auf. Unsere KundInnen benötigen jedoch Mehle, die stets annähernd gleiche Eigenschaften besitzen. Der Müller muss daher mit jahrelanger Erfahrung und Fingerspitzengefühl aus den unterschiedlichen Rohstoffen eine geeignete Mischung zur Erzeugung der gewünschten Mahlprodukte zusammenstellen. Die Kontinuität ist schließlich entscheidend für den Backerfolg. Die interne Qualitätssicherung, scharfe Kontrollen durch unabhängige Prüfstellen, strenge Grenzwerte und Auflagen sowie die entsprechenden Zertifikate untermauern unser ständiges Bemühen um gleichbleibende
Mehlqualitäten.

Spiegeln sich geänderte Ernährungsgewohnheiten auch in höheren Absatzmengen gewisser Mehlsorten wider?

Stefan Pickl Absolut. Bewusste Ernährung ist der Trend und für mich eine logische Konsequenz unserer Zeit. Dinkelmehl wird stark nachgefragt, das merken wir deutlich. Gerne bauen wir deshalb die eigene Dinkelvermahlung weiter aus.

Ist Dinkelmehl besser als Weizenmehl?

Stefan Pickl Da geht es nicht um besser, sondern um verträglicher, wenn Menschen diesbezüglich eben Unverträglichkeiten haben. Wir vermahlen einen eher ursprünglichen Dinkel mit weniger Gluten. Das Dinkelkorn enthält zwar in etwa gleich viel Eiweiß wie Weizen, aber eine andere Eiweißkomponente. In Summe ist das Dinkelmehl deshalb bei gewissen Unverträglichkeiten sehr beliebt. Nicht zu vergessen: Brot & Gebäck aus Dinkelmehl schmeckt ausgezeichnet. Und von Bäckern höre ich, dass unser Dinkelmehl das backfähigste am Markt sei. Das freut mich.

Wie würden Sie den »Spirit« der Rauchmühle beschreiben? Was treibt sie bzw. Sie an?

Stefan Pickl Wir sind ein Tiroler Betrieb, der mit größter Sorgfalt aus ausgewählten Getreidesorten Mahlprodukte höchster Qualität herstellt, um unseren Kunden Mehrwerte zu verschaffen und somit ihre Präferenz und Loyalität für unsere Produkte zu erlangen und ebenso zu bewahren. Wir produzieren naturreines Mehl, passend für jeden Geschmack und jede Anwendung. Ich bin stolz, Teil dieser langen Tradition zu sein.

Moment mahl! Was passiert
eigentlich beim Vermahlen von Getreide?

Am Walzenboden werden die gereinigten Getreidekörner in den Walzenstühlen mittels sich gegenläufig drehenden Mahlwalzen aus geriffeltem Stahl vorsichtig wiederholt in sog. Passagen zerkleinert. Die dabei entstehenden Teilchen werden jeweils mit Hilfe von Sieben im Plansichter nach Größe und spezifischem Gewicht getrennt bzw. sortiert. Das Prinzip des Produktionsschemas einer Mühle besteht im Hintereinanderschalten mehrerer Passagen. Dabei fällt eine Vielzahl von Zwischenprodukten an, die je nach Schalen- und Mehlgehalt wieder zu den gewünschten Endprodukten zusammengeführt werden. Die anfallenden Mahlprodukte unterteilt man in: Schrot, Grieß, Mehl und Kleie. Zu einem wichtigen Prozessschritt hat sich in den letzten Jahren das Mischen und Verschneiden unterschiedlicher Mehle entwickelt. Auf individuellen Kundenwunsch werden gezielt verschiedene Mehle mit unterschiedlichen Eigenschaften zu einem neuen Mehl gemischt.

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